Standpunkt zum vbw Artikel

Die PNP berichtete jüngst über die Forderungen der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) im Artikel „Wirtschaft will ‚Comeback des Standorts‘“ in der Rubrik „Heimatwirtschaft“.

Die im Artikel enthaltenen Forderungen der vbw werfen jedoch Fragen auf, die nicht unbeantwortet bleiben sollten. Diese Forderungen wirken rückständig und erinnern an altertümliche Vorstellungen, die eher in die 1950er Jahre als in unsere moderne Zeit passen. Es ist leicht, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die sozial Schwachen und die hart arbeitenden Menschen ins Visier zu nehmen und sie als Sündenböcke für strukturelle Probleme darzustellen.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen wie die Abschaffung der Rente mit 63, die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 68 oder die Forderung nach mehr Eigenbeteiligung bei Kranken- und Pflegeversicherung treffen vor allem jene, die tagtäglich hart arbeiten und dennoch kaum über die Runden kommen. Diese Menschen leisten Stunde um Stunde, oft unter schwierigen Bedingungen, einen wichtigen Beitrag zu unserer Gesellschaft — und das für einen oft mageren Lohn. Sie verdienen Unterstützung und Anerkennung statt weiterer Belastungen.

Die Aussage von Herrn Hatz, dass zu viel Politik für jene gemacht werde, die vom Sozialstaat leben, verkennt die Realität vieler Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Der Sozialstaat ist kein Luxus, sondern eine notwendige Absicherung für Menschen, die trotz harter Arbeit oft nur knapp über die Runden kommen. Gerade diese breite Masse, die tagtäglich als wahre Leistungsträger:innen der Gesellschaft fungiert, darf nicht weiter belastet werden. Seine Aussagen zu einer Vier-Tage-Woche, sogenannten Null-Bock-Tagen und Work-Life-Balance wirken zudem wie ein Tritt gegen die Errungenschaften der Gewerkschaftsarbeit der letzten 20 Jahre. Wir erinnern uns noch an die Forderung „Leistung muss sich lohnen“ unter Helmut Kohl, die Steuererhöhungen für normale Arbeitnehmer:innen und sozialen Kahlschlag mit sich brachte. Es wäre daher ein fatales Signal, den Sozialstaat, der als Stabilitätsanker für diese Menschen dient, weiter auszuhöhlen.

Natürlich müssen wir unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig halten, aber das darf nicht auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit geschehen. Man könnte sich fragen, warum diejenigen, die Jahrzehnte an Innovationen verschlafen haben und trotz des sogenannten „überbordenden Sozialstaats“ Milliarden erwirtschaftet haben, nicht zuerst selbst ihre Hausaufgaben machen. Statt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollten sie Verantwortung für Versäumnisse übernehmen und Lösungen anbieten, die allen zugutekommen. Der Sozialstaat ist kein Hemmschuh, sondern eine notwendige Grundlage für sozialen Frieden und wirtschaftliche Stabilität. Gerade in Zeiten der Krise sollten wir uns daran erinnern, dass eine starke Gemeinschaft davon lebt, die Schwächsten zu schützen und den hart arbeitenden Menschen Perspektiven zu bieten.

Statt kurzfristiger Entlastungen für Unternehmen brauchen wir nachhaltige Investitionen in Bildung, Innovation und Infrastruktur. Nur so können wir die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen. Die Schuldenbremse steht dabei sinnbildlich für die aktuellen strukturellen Probleme: Eine starre Regelung, die kurzfristig gut klingt, sich jedoch langfristig als Hemmschuh erweist. Herr Hatz spricht sich zwar vordergründig für die Schuldenbremse aus, doch er lässt sich zugleich eine Hintertür offen, um sie bei Bedarf zu lockern. Diese inkonsistente Haltung erinnert an Teile der Politik, die ähnlich lavieren und sich damit jeder echten Verantwortung entziehen. Genau solche Widersprüche schwächen das Vertrauen in klare Entscheidungen. Das ist nicht nur traurig, sondern untergräbt den sozialen Zusammenhalt und gefährdet langfristig auch den Erfolg unseres Standorts.

Die soziale Marktwirtschaft und der daraus resultierende Sozialstaat sind nicht nur wirtschaftliche Modelle, sondern auch essenzielle Stabilitätsanker für unsere Demokratie. Sie schützen Menschen vor Risiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit und unterstützen jene, die auf Hilfe angewiesen sind.

Wenn wir den Grundgesetzartikel „Eigentum verpflichtet“ ernst nehmen, sollten auch die sehr Reichen in unserer Gesellschaft, oft Erben großen Vermögens, einen größeren Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Es ist an der Zeit, dass diejenigen, die vom Wohlstand unserer Gesellschaft profitieren, ihrer Verantwortung gerecht werden und zur Finanzierung des Sozialstaats beitragen.

Menschen wurden erschaffen um geliebt zu werden. Dinge wurden geschaffen um benutzt zu werden. Der Grund warum sich die Welt im Chaos befindet, ist weil Dinge geliebt werden und Menschen benutzt werden. – Dalai Lama.