5. August 2023

Sieht so politischer Diskurs aus?….

…. ein Bericht und Statement von Cathrin Fernando zur politischen Veranstaltung in Chieming am 01.08.2023:

Am Dienstag war ich als Bezirkstagskandidatin des Landkreises Altötting zur Veranstaltung des Nachbarlandkreises Traunstein im Festzelt in Hart bei Chieming eingeladen. Cem Özdemir war angekündigt und ich habe mich schon seit Wochen auf diesen Termin gefreut. Auch mein Mann und meine Kinder waren neugierig und da wir seit Corona nicht mehr gemeinsam in einem Festzelt waren, beschlossen wir gemeinsam dort einen schönen Abend zu verbringen. Wir hatten unsere Plätze ganz vorne an der Bühne. Die Stimmung war super. Endlich mal wieder im Dirndl vor meiner Radlermaß mit Schweinsbraten, Brezn, Obatzda, Blaskapelle und netten Menschen um mich herum. Für mich Kindheitserinnerung. Ich hab das schon immer geliebt und ich freute mich, dies nun mit meinen Kindern zu erleben. Heimische Dult hatten wir verpasst, da wir in den Ferien weg waren und die nächste steht erst bevor. Davor wie gesagt Corona.
Alles so harmonisch…. bis die Reden dann begannen. Ich war verunsichert. Waren die Pfiffe zwischen den Jubelrufen positiv oder negativ? Ich merke schnell, dass nicht nur ich verunsichert bin. Auch um mich herum schauen alle ein wenig stutzig. Die Kinder schauen mich verwirrt an.
Ganz schön laut. Aber das war erst der Anfang. Es wurde immer lauter und immer mehr, ohne Pausen. Ich bin ehrlich gesagt total vor den Kopf gestoßen. Soll das ernsthafter Protest sein? Gegen was? Gegen die Grünen? Gegen Cem? Gegen den „Heizhammer“? Ich bin entsetzt, dass Trillerpfeifen ein Mittel sind um Protest auszudrücken. Es wird immer unangenehmer in den Ohren. Ich sehe vor allem die Ohren meiner Kinder in Gefahr. „Sollen wir lieber rausgehen?“ frage ich meinen Mann. Er ist auch verunsichert, wir wissen gerade nicht wie wir uns entscheiden sollen. Vielleicht wird es ja doch wieder weniger? Aber es hält sich hartnäckig, eher mehr als weniger. Der erste kurze Tumult am Zelteingang. Der Moderator des Abends weist daraufhin, dass es Menschen gibt, die hier im Zelt arbeiten. Mit Vernunft kommt man leider nicht weiter. Katha Schulze ist als Rednerin dran. Sie bietet an, dass man mit ihr ins Gespräch kommen kann. Statt zu pfeifen, sollte man einander zuhören. Sie ist bereit dazu, aber die Trillerpfeifen gehen stumpf weiter. Sind anfangs die Menschen mit ihren Trillerpfeifen nur im hinteren bis mittleren Bereich des Zelts gewesen, trauen sie sich von Rednerin zu Rednerin in den Gängen immer weiter vor. Es wird also noch lauter. Und als ich die erste Person erblicke, die mehr als nur offensichtlich einer rechten Gesinnung verfallen ist, ziehe ich die Reißleine. Ich will hier raus. Mein Mann hat Migrationshintergrund. Das merkt man zwar nicht, aber man sieht es halt. Wir haben unsere Kinder dabei. Ich will hier nur noch raus. Aber selbst das ist gar nicht so einfach. Polizei ist da, aber beschäftigt damit, dass keiner mehr ins Zelt reinkommt. Also einmal Kinder an die Hand und durch die Menge. Am Ein-/Ausgang selbst hilft uns dann die Polizei und wir können begleitet und sicher das Zelt verlassen.


Ich musste das jetzt alles tatsächlich erst mal verarbeiten. Unsere Ohren schmerzen noch den restlichen Abend. Und ich möchte hier gar nicht ins Detail gehen wie es uns als Familie noch die Tage danach geht. Dieses Verhalten hat für mich mit Politik nichts mehr zu tun. Das hat auch nichts mit Wahlkampf oder Protest zu tun. Das hat auch nichts mit politischem Diskurs oder dagegen sein zu tun. Das war einfach nur anstandslos. Und wenn ich im Nachhinein mitbekomme, dass dort Steine zum Schmeißen auslagen:
Entschuldigung, aber was soll daran bitte „lustig“ sein? Und Flyer der Jungen Union BGL liegen direkt neben den Steinen aus mit der Aufforderung, sich nicht bevormunden zu lassen. Gleichzeitig Werbung für den Landtagskandidaten aus den eigenen Reihen, Konrad Baur. Laut SZ distanziert sich dieser klar von den Flyern und teilt doch genau diesen dann auf seinem Instagram-Account. Das soll ernsthaft Wahlkampf sein? Einer christlichen und sozialen Union? Auch dieses Hendl-Thema. Auf der Speisekarte des Abends war das Hendl durchgestrichen. Wir konnten es an diesem Abend nicht bestellen. Wird als Verbot ausgelegt. Ich persönlich sehe das ganz klar: wenn ich eine Veranstaltung in einem Restaurant buche, darf ich mir auch aussuchen, was für meine Gäste auf die Karte kommt. Ganz normaler Usus. Und ich finde es mehr als richtig, dass das Hendl an diesem Abend gestrichen war. Es war das einzige Fleischgericht, dass aus Massentierhaltung kam. Das entspricht nicht den Werten dieser Partei und zu denen darf und sollte man auch stehen.


Mit drei Tagen Abstand stehe ich heute fester denn je mit beiden Beinen in meinen grünen Werten und sage ganz eindeutig: Auf diesem Niveau werde ich mich niemals bewegen. Ich bleibe dabei, den Wahlkampf mit Anstand und guten Argumenten zu bestreiten. Das ist genau das, was ich auch meinen Kindern beibringe. Gestritten werden darf, das gehört dazu. Aber man bleibt fair dabei. Und ich kenne Menschen, die ich mag und sehr schätze bei der SPD, bei der CSU und bei den Freien Wählern und ich weiß, dass sie ihren Kindern genau das auch beibringen. Also ist mein Appell an alle, quer durch sämtliche Parteien, die sich in diesem Wahlkampf engagieren: Bleibt fair, sachlich und niveauvoll. Wer sich politisch einsetzt sollte sich seiner Vorbildfunktion schon auch immer bewusst sein. Und wer sich christlich und sozial nennt, erst recht. Wir stehen immerhin alle für ein und das selbe oberste Ziel: die Demokratie!